2014 – JAHR DES UMBRUCHS UND DES NEUBEGINNS IN DER PFARREI ST. MARTIN.

In der mutmasslich rund 1400-jährigen Geschichte der Pfarrei St. Martin vollzog sich im Fühjahr 2014 ein historischer Wandel: Sie wurde im März in den neu errichteten Pastoralraum Gösgen einbezogen. Im Spätsommer erhielt sich nach fast fünfjähriger Vakanz wieder einen Seelsorger.
Die Gemeinde als Ort religiöser Beheimatung
Schon im Urchristentum erkannte der Völkerapostel Paulus die zentrale Bedeutung der Beheimatung der Christen in einer Gemeinde. Das war auch nicht anders, als im 7. Jahrhundert irische Wandermönche das Christentum in unsere Gegend brachten. An markanten Stellen, vorzüglich auf römischen Grundmauern, um den Sieg des Christentums über das Heidentum zu verkünden, errichteten sie als Mittelpunkt der Gemeinde Gotteshäuser. Das älteste in der heutigen Region Mittelgösgen schufen sie in Lostorf etwas entfernt vom ehemaligen Dorfkern auf einem weithin sichtbaren Hügelsporn am Südwestrand der alemannischen Siedlung. In der dem fränkischen Reichspatron Martin geweihte Kirche versammelten sich auch die Gläubigen der umliegenden Dörfer zu einer christlichen Gemeinde. Sie waren bereit, für die Gottesdienste lange Wege auf sich zu nehmen. Es sollte bis in die 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts dauern, bis jedes Dorf der Region Mittelgösgen (ausser dem kleinen Rohr) eine eigene Kirche und einen Pfarrer bekam und damit zur Pfarrei wurde. So war Winznau während Jahrunderten mit Lostorf oder Obergösgen praffgenössig.
Aus dem Seelsorgeverband wird der Pastoralraum Gösgen
Während annähernd 2000 Jahren war die Gemeinde Zentrum katholischen Glaubenslebens. Von diesem Ideal rückte auch die Kirchenleitung nicht ab, bis im letzten Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts Ideal und Wirklichkeit immer mehr auseinanderklafften, denn einer Pfarrei sollte ein Pfarrer, d.h. ein geweihter Priester, vorstehen. Nur dem ehelos lebenden Priester war es erlaubt, einer Eucharistiefeier, einer Messe, vorzustehen sowie den Grossteil der anderen sakramentalen Handlungen auszuüben. Priesterberufe gab es aber immer weniger. Doch Rom war nicht bereit, von der Zölibatsvorschrift abzurücken oder das Frauenpriestertum zuzulassen. Um der Seelsorgenot zu begegnen, bot die Kirchenleitung vorerst zwei Auswege an: Laientheologen und -theloginnen durften einer Gemeinde vorstehen und Wortgottesdienste gestalten. Ausserdem sollten die Pfarreien in Seelsorgeverbänden enger zusammenarbeiten, um durch regionale Kooperation mit den verbleibenden Priestern das sakramentale Angebot aufrecht zu erhalten. So schlossen sich die Pfarreien des heutigen Pastoralraums Gösgen 1993 in zwei Gruppen zu noch locker verbundenen Seelsorgeverbänden zusammen. Die Gruppe Aare umfasste die Pfarreien Niedergösgen, Obergösgen und Winznau; die Gruppe Jura Erlinsbach, Stüsslingen-Rohr und Lostorf. Die pastorale Planung des Bistums liess es nicht bei den unverbindlichen Empfehlungen der frühen 90er Jahre bewenden. Der 2006 veröffentlichte Pastorale Entwicklungsplan (PEP) ging davon aus, dass für eine zukunftsfähige Seelsorge entsprechende strukturelle Voraussetzungen geschaffen werden müssten. So umfasst der heutige Pastoralraum Gösgen neben dem seelsorglichen Bereich einen administrativen Zweckverband der Kirchgemeinden.
Aus der Seelsorgenot, insbesondere dem Priestermangel geboren, versucht der Pastoralraum eine Tugend zu machen. Durch die Bündelung der Kräfte hofft man, Synergien zu schaffen; durch gezielten Einsatz der Seelsorgenden Charismen zu fördern; durch fachliche Supervision die Qualität zu steigern; durch Zusammenarbeit der Gemeinden Silidarität und Subsidiarität zu fördern; durch die Schaffung neuer Möglichkeiten bisher Fehlendes zu ergänzen. Eines steht schon jetzt fest: Weniger personalintensiv wird der neue Pastoralraum nicht sein. Ein wesentliches Ziel hat er aber erreicht: Noch stehen ihm zwei Priester zur Verfügung. Was aber, wenn der Priestermangel weiter rasant zunimmt und die Kirchenleitung die Zulassungsbestimmungen zum Priestertum und die Kompetenzen der Laien nicht ändert? Sollen dann die jetzt im Durchschnitt für etwa 5000 bis 5500 Gläubige konzipierten Pastoralräume in einer rollenden Revision weiter zusammengelegt werden?
Als das bischöfliche Ordinariat 2006 die Idee lancierte, rechnete es bis zur Verwirklichung der 126 geplanten Pastoralräume in der Diözese Basel mit einem Zeitraum von acht Jahren. Der im März 2014 errichtete Pastoralraum Gösgen war jedoch erst der 28. auf Bistumsebene, und im Kanton Solothurn konnten mit Gösgen als bislang letztem nur gerade deren 3 verwirklicht werden. In unserem Kanton sollen – so die hoch gesteckte Zielvorgabe von Bischof Felix Gmür – bis 2016 die 82 römisch-katholischen Pfarreien zu 19 Pastoralraum zusammenrücken.
Nach fast fünfjährigen Vakanz bekommt die Pfarrei wieder einen Seelsorger
Obwohl Pastoralräume grundsätzlich wie grosse Pfarreien funktionieren, wird das wichtige historische Prinzip der Kontinuität durch die Beheimatung in der Pfarrei und der Kirchgemeinde gewährleistet. Schwerpunkt der pastoralen Betreuung bleibt weiterhin die Pfarrei. Das gesamte in der Seelsorge, Katechese und Administration tätige Personal wird aber vom Zweckverband Pastoralraum Gösgen angestellt, in dem jede Kirchgemeinde vertreten ist. In seelsorglichen Belangen untersteht es dem priesterlichen Pastoralraumpfarrer.
Der neue katholische Seelsorger von Lostorf. Diakon Marek Sowulewski, ist nicht mehr wie sein Vorgänger Gemeindeleiter der Pfarrei St. Martin. Diese Aufgabe kommt dem Pastoralraumpfarrer Jürg Schmid zu. Für die Funktion eines dem Pastoralraumpfarrer unterstellten Seelsorgers hat sich das bischöfliche Ordinariat eine sprachliche Neuprägung ausgedacht. Diekon Marek Sowulewski ist die neue Bezugsperson für die Pfarrei Lostorf. Marek Sowulewski wir auch stärker ins Seelsorgeteam integriert sein als sein Vorgänger. Sein Arbeitsvertrag mit dem Zweckverband des Pastoralraums Gösgen sieht für ihn ein Pensum von rund 70% in Lostorf sowie eines von 30% im Pastoralraum Gösgen vor. Im Pastoralraum wird Marek Sowulewski die Pfarreien übergreifende Jugendarbeit aufbauen.
Diakon Marek Sowulewski (58) ist verheiratet, Vater zweier Kinder und wohnt in Zunzgen BL. Seine theologische Ausbildung absolvierte er an den Universitäten Krakau und Fribourg. Seit 1988 im Bistum Basel tätig, verfügt über eine grosse pastorale Erfahrung.
Da die neuen institutionellen und personellen Verhältnisse im Pastoralraum Gösgen und in der Pfarrei St. Martin in der relativ kurzen Zeit noch nicht genügend Möglichkeiten hatten, sich zu bewähren, muss ihnen die Chance dazu eingeräumt werden. Erst die Zukunft wird zu beurteilen vermögen, ob das Ziel des Pastoralen Entwicklungsplanes, den Glauben wirkungsvoll ins Spiel der gesellschaftlichen Kräfte des 21. Jahrhunderts einzubringen, erreicht werden konnte.