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Das Lostorfer Gemeindemagazin

30 Jahre offene ökumenische Gesprächsgruppe Lostorf

Gesprächsrunde

Im April 2020 wird die offene ökumenische Gesprächsgruppe Lostorf 30-jährig. Aus diesem Grund werfen wir einen Blick auf die Entstehungsgeschichte, den Sinn und Zweck, ihr konkretes Leben, aber auch die Schwierigkeiten, welche die Gruppierung gegenwärtig zu meistern hat. Der Aufbau der Vorstellung dieser Gruppe folgt den meistgestellten Fragen über sie.

Wie ist diese Gruppe entstanden?

Seit der Teilung der westlichen Christenheit vor rund 500 Jahren entwickelte sich erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts das Bedürfnis nach grösserem interkonfessionellem Verständnis. Obwohl sich auch in Lostorf menschlich die konfessionellen Milieus längst aufgelöst hatten, gibt es erst seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts ökumenische Gottesdienste. Nach dem «Ökumenischen Gottesdienst für die Einheit der Christen» im Januar 1990 suchten der damalige Präsident der reformierten Kirchgemeinde, Hans Hugo Rellstab, und damaliger Präsident des katholischen Pfarreirates, Otto Herzig, im Gespräch nach Wegen, die beiden Konfessionen näher zusammenzuführen. Als einigendes Band sahen sie die Bibel. So entstand vorerst eine ökumenische Gesprächsgruppe zur Bibel.

Wie hat sich die Gruppe in den vergangenen 30 Jahren entwickelt?

Der Entwicklungsweg war inhaltlich und methodisch ein Lernprozess, ein Learning by doing. Bibelgruppen gab es vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil auf katholischer Seite überhaupt keine; auf protestantischer beschränkten sie sich auf eher fundamentalistische Kreise. Mit einem solch wörtlichen Bibelverständnis kämpfte sich die Gruppe in den ersten Monaten über die Runden. Ein erster wesentlicher Schritt im Lernprozess der Gruppe drängte sich auf: Jeder Abend brauchte eine Leitung, die sich vorgängig mit dem Text vertieft befasst hatte. Weitere Schritte erweiterten in der Folge den Horizont der monatlichen Treffen. Lebensfragen, biblische und kirchliche Stolpersteine, die nicht immer glücklich verlaufende Kirchengeschichte, die Ökumene, das Verhältnis zu anderen Religionen und die grossen ethischen Probleme der Gegenwart wurden zum Gegenstand unseres Nachdenkens und Diskutierens.

Wie ist die offene ökumenische Gesprächsgruppe organisiert und wie viele Teilnehmer nutzen ihr Angebot?

In den 30 Jahren ihres Bestehens war unsere Gruppe nie ein Verein mit Statuten. Sie hat jedoch einen festen Kern – rund ein Dutzend Personen – der an den meisten Abenden regelmässig teilnimmt und um die Gesprächsthemen besorgt ist. Für die Vorbereitung und Leitung eines Abends besteht keine Verpflichtung. Ein diesbezügliches Engagement entspringt der Freiwilligkeit und der persönlichen Motivation. Ein besonders verdienstvolles, unentbehrliches Engagement haben wir unserem Koordinator Roland Vogt zu verdanken, der seit 2005 zu allen Veranstaltungen einlädt und die behandelten Themen dem elektronischen Gedächtnis eines Computers anvertraut.

Birgt die Diskussion über religiöse Themen ohne den Einbezug von Fachleuten auf dem Gebiet der Theologie nicht gewisse Gefahren?

Diese Gefahren sind offensichtlich. Es besteht die Gefahr eines Abgleitens ins Sektiererische. Ausserdem ist die Gruppe bestrebt, mit dem zeitgenössischen theologischen Wissensstand in Kontakt zu bleiben. Während Jahren war die Anwesenheit von mindestens einem Theologen eine absolute Selbstverständlichkeit. In jüngster Zeit ist die Verfügbarkeit des Seelsorgepersonals, infolge seiner Mehrbelastung durch die Erweiterung der Pfarrkreise bzw. die Errichtung eines Pastoralraumes, etwas schwieriger geworden. Die Gruppe darf sich aber auf das Versprechen der Gemeindeverantwortlichen verlassen, weiterhin hinter unserer Gruppe zu stehen und sie zu begleiten. Zudem bildet die sporadische Mitwirkung eines Theologen aus einem andern Pfarrkreis der reformierten Kirchgemeinde Niederamt oder des katholischen Pastoralraums Gösgen eine willkommene Bereicherung. 

Geben unsere Kirchgemeinden nicht schon viel Geld für den schulischen Religionsunterricht aus? Und nun soll dieser noch ergänzt werden durch eine ausserschulische, religiöse Erwachsenenbildung? Besteht diese nicht schon in der Form zeitweiliger Angebote?

Alle diese Angebote sind begrüssenswert, doch ihnen fehlt meist eine kontinuierliche Pflege. Übrigens ist die religiöse Erwachsenenbildung, wie sie die offene ökumenische Gesprächsgruppe betreibt, kostenlos. Was sich die Gruppe von den Kirchgemeinden wünscht, ist allein die Bereitstellung eines Raumes für ihre Zusammenkünfte. Während fast 30 Jahren war dies der Martinskeller der katholischen Kirchgemeinde. Von Januar bis März 2020 traf sie sich kurzzeitig in der reformierten Kirche. Ab April dieses Jahres wird sie sich jeden ersten oder zweiten Freitag im Monat im Sigristenhaus treffen, da dieses ohne Stufen und so für Behinderte leichter begehbar ist. Auf allen Gebieten hat sich das Prinzip des lebenslangen Lernens durchgesetzt. In der Volksschule erwerben Kinder religiöses Wissen auf dem Niveau ihres kindlichen Verständnisses. Wenn dieses Verständnis nicht mit dem Menschen wächst, empfindet er die kindlichen Vorstellungen schon im jugendlichen Alter als lächerlich. In einem Zeitalter, in dem die Wissenschaften ein grosses Prestige geniessen, nimmt er fälschlicherweise an, Glaube und Wissenschaft seien nicht kompatibel. Genau hier findet nun die ökumenische Gesprächsgruppe ihr Wirkungsfeld. 

Wie sieht die Gruppe die Zukunft der religiösen Erwachsenenbildung auf Gemeindeebene?

Die moderne Bildungswissenschaft bestätigt das praktische Vorgehen unserer Gruppe: die Verbindung von Information und Eigenaktivität. Dazu kommt die hohe Motivation der Mitglieder. Sie bestimmen die Themen der einzelnen Abende selbst. Sie wollen keine Antworten auf Fragen, die niemand stellt. Die Gruppe scheint also gut unterwegs zu sein und hat eine sehr geringe Fluktuation. Wer einmal der Gruppe beigetreten ist, fühlt sich in der Regel wohl in ihr, weshalb ihr Altersdurchschnitt sehr hoch ist. Austritte sind weitgehend den verschiedenen Altersbeschwerden zuzuschreiben. Obwohl die Gruppe ursprünglich für Menschen mitten im Leben bestimmt war, ist sie heute unbeabsichtigt vorwiegend zur Seniorengruppe geworden. Ohne neue Mitglieder aus der jüngeren Generation gelangen wir bald an den Scheideweg, an dem die Frage nach Sein oder Nichtsein beantwortet werden muss. Die Gruppe sieht sich im Dienst unserer ökumenischen Religionsgemeinschaft. Auch sie ist auf Mitglieder angewiesen, die um den Sinn der Glaubensinhalte wissen.

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