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Das Lostorfer Gemeindemagazin

50 JAHRE WINTERLAGER DER LOSTORFER SCHULEN

Vom Mond aus sähe man mit einem guten Teleskop sicher in die Schweizer Alpen. Was hat aber der Mond mit einem Bericht über 50 Jahre Skilager Lostorf zu tun? Nun – dies, dass beides 1969 Schlagzeilen machte:
International bedeutsam war die Mondlandung der Amerikaner am 21. Juli. Bereits ein halbes Jahr zuvor – in der ersten Februarwoche 1969 – sorgte lokal das erste Schulskilager Lostorfs für Gesprächsstoff.

1969: Gurnigel, Naturfreundehaus Selibühl
Das Lager der Lostorfer(innen) fand zwar nicht ganz so weit von Zuhause weg statt wie Neil Armstrongs erste Schritte auf dem Mond: Kinder der 5./6. Primarschulklassen und der Oberschule (7./8. Klasse) waren für eine Woche im Naturfreundehaus Selibühl im Gantrisch-Gurnigel-Gebiet einquartiert. Trotzdem war für die Teilnehmenden der Weg zum Lagerhaus kein Zuckerschlecken, da sie ihre Skiausrüstung und die Rucksäcke mit den persönlichen Utensilien selber mittragen mussten. Anschliessend an die Bahnfahrt nach Bern stiegen die 37 Kinder und 8 Leiter(innen) ins Postauto um, das sie zum Gurnigel-Berhaus brachte. Nun stand noch ein halbstündiger Fussmarsch bis zum Naturfreundehaus Selibühl bevor! Der Proviant – wie Milch, Brot und Fleisch – musste täglich mit einem Kanadierschlitten (flascher Rettungsschlitten) beim Postauto im Gurnigel abgeholt werden.

Auch der Skibetrieb lief anders ab. als es die Kinder 50 Jahre später gewohnt sind: Gefahren wurde auf Pisten, die man mit den eigenen Skiern angetreten hatte, oder aber im Tiefschnee.

Nur am Freitag durfte als Höhepunkt der Skilift auf dem Gurnigel benutzt werden. In der Lagerabrechnung von 1969 sind Skiliftkosten von Fr. 59.60 ausgewiesen. Wer heutzutage selber Ski fährt, weiss, dass dieser Betrag im Jahr 2019 in vielen Skigebieten nicht mal mehr für eine Erwachsene-Tageskarte reicht!

1970 +1971: Bergün, Familienherberge «Chesa Grusaida»
Wegen Terminschwierigkeiten musste für das zweite Skilager bereits eine neue Unterkunft gesucht werden. Im bündnerischen Bergdorf Bergün besass die Vereinigung der «Schweizer Familienherbergen» das ehemalige Parkhotel im Zentrum des Ortes. In diesem Gebäude konnte sich die Lostorfer Schule für zwei Jahre einmieten.
Welch ein Unterschied zum ersten Lager! Vom RhB-Bahnhof war das Lagerhaus in wenigen Minuten erreichbar und für den Skiunterricht standen am Hang von Zinols Pisten und Skilift zur Verfügung. Eine Eisbahn lag vor dem Haus.
Die Skilager waren damals freiwillig und fanden während den Sportferien statt. Da die Lager immer mehr Zuspruch fanden, musste für die Zukunft eine neue Lösung gefunden werden, wollte man nicht Schüler(innen) abweisen.

1972 – 1987: Bergün, Jugendhaus Plazi
Die Oberschule wurde «lagermässig» abgetrennt und führte ab 1972 ihr Lager auf dem «Turren» oberhalb von Lungern OW durch. Für die 5. und 6. Klasse der Primarschule konnte im Jugendhaus Plazi eine neue Unterkunft gemietet werden, ohne den idealen Skiort wechseln zu müssen.

Die Wintersport-Infrastruktur Bergüns kam dem Lagerbetrieb sehr entgegen: Nebst den Pisten am «Zinols», in Dorfnähe, konnte auch im Skigebiet auf der Alp Darlux gefahren werden. Eine Fahrt auf der gut 10 km langen Schlittelbahn Preda-Bergün zählte jeweils zu den Lagerhöhepunkten. Des Besuch des Eisbahn und des Hallenbades im REKA-Zentrum standen ebenso auf dem Wochenprogramm, wie eine Winterwanderung durchs das Val Tuors hinauf ins «Heidi-Dorf» Latsch. Dieser auf einer Terrasse hoch über Bergün gelegene Ort bildete 1952 und 1955 die Kulisse der Schweizer Filme «Heidi» und «Heidi und Peter» nach den Geschichten von Johanna Spyri.
Einige Schüler(innen) machten am Rande Bergüns auch erstmals Bekanntschaft mit den schmalen Langlaufskis.

Die Küche des Jugendhauses Plazi stellte die Küchenmannschaft vor eine riesige Herausforderung. Das Essen für die Lagerteilnehmer (jeweils ca. 55-65 Kinder und 10-12 Erwachsene) musste anfänglich auf einem gewöhnlichen 4-Platten-Herd gekocht werden. Für die grosse Menge Tee, die täglich zubereitet wurde, stand zwar zusätzlich ein einfaches Gas-Rechaud zur Verfügung. Aber erst nach dem Umbau und einer Vergrösserung der Küche Mitte der 70-er-Jahre wurden die Verhältnisse dann etwas einfacher.

Das Leitungsteam des Lostorfer Skilagers hatte einen guten Draht zur örtlichen Skischule, so liess es sich der Skischulleiter nicht nehmen, am Ende des Lagers die Sieger des Lostorfer Skirennens mit einer Medaille der Skischule Bergün auszuzeichnen. Dafür halfen die Lostorfer Leiter(innen) der Skischule jeweils aus, wenn es Mitte Woche darum ging, den Feriengästen auf der Zinolspiste abends eine Fackelabfahrt mit einstudierter Choreografie zu präsentieren.
Den Lagerort erreichten die Teilnehmenden jeweils mit dem «Gösgerbus», der SBB und der RhB. Lange Zeit war es möglich, in Olten einen reservierten Bahnwagen zu besteigen, der in Zürich an den Zug nach Chur umrangiert wurde. Beim heutigen, dichten SBB-Fahrplan wäre so etwas schlicht nicht mehr machbar!

1976 führte die Primarschule Lostorf in der Woche vor den Sportferien eine so genannte Wintersportwoche für die 1. bis 6. Klasse zur obligatorischen Schulverlegungswoche erklärt und dauerte von Samstag bis Samstag.

Nach dem Lager 1987 erhielten die Lostorfer Lagerverantwortlichen von der Vermieterin Bescheid, das Haus im Folgejahr nicht mehr in der gewohnten Woche zur Verfügung zu haben. Dies und vor allem auch die Tatsache, dass die Hauseinrichtung nicht mehr zeitgemäss Sanitär- und Isolationsnormen entsprach, führte dazu, dass im Sommer 1987 ein neues Lagerhaus gesucht und gefunden wurde.

1988 – 2012: Obergesteln/Obergoms Mehrzweckhalle
1982 wurde der Furka-Eisenbahntunnel zwischen Realp UR und Oberwald VS eröffnet. Das Goms war plötzlich ganzjährig von beiden Seiten her erreichbar und viele Gemeinden erhofften sich einen touristischen Aufschwung und investierten in die örtliche Infrastruktur. So liess die Gemeinde Obergesteln 1984/85 eine Anlage bauen, die ein Schulhaus mit zwei Schulzimmern, eine Turnhalle und eine Unterkunft umfasste, in der mehr als 100 Personen Platz fanden. Ein mutiger Schritt für eine Gemeinde, die nur rund 200 Einwohner zählte!

Anfangs Februar 1988 konnten die Lostorfer Sechstklässler erstmals mit einem Reisecar nach Obergesteln ins Skilager fahren. Am Hang hinter dem Lagergebäude standen ein Anfängerlift und ein Bügellift zur Verfügung. Für die Fortgeschrittenen lockten zudem im Nachbarort Oberwald die anspruchsvollen Pisten am «Hungerberg».

In Obergesteln führen verschiedene Langlaufloipen des Langlaufdorados «Obergoms» vorbei. Es war deshalb naheliegend, dass diese Wintersportart ins Wochenprogramm aufgenommen wurde. Während die Lostorfer Schule zu Beginn nur Skis und Schuhe für den klassischen diagonalschritt zur Verfügung stellen konnte, wurde die Ausrüstung im Laufe der Jahre mit Skating-Skis erweitert. Eine Tageswanderung auf den «schmalen Latten» schloss die Langlaufausbildung ab. Dabei gab es jedes Jahr begabte und ausdauernde Knaben und Mädchen, welche die 24 Kilometer lange Strecke von Obergesteln via Oberwald nach Niederwald schafften. Die Rückfahrt konnten dann alle in einem wagen der damals noch «Furka-Oberalp-Bahn» angeschriebenen Schmalspurbahn geniessen.

Die einwohnermässig kleinen Gemeinden des Goms waren finanziell nicht auf Rosen gebettet. So kam es, dass sie gegen die Jahrtausendwende hin durch die notwendig werdenden Revisionsarbeiten der Skilifte und Bergbahnen überfordert waren und die Anlagen geschlossen wurden: zuerst in Obergesteln, dann in Oberwald und schliesslich noch in Mühlebach bei Ernen. Um Ski zu fahren, mussten fortan die Pisten in Geschinen/Münster beziehungsweise Bellwald/Fiescheralp aufgesucht werden.

Dass das Goms ein Hochtal in den Alpen ist, spüren die Feriengäste immer wieder an den Launen der Natur: Aussentemperaturen von -20°C bis -28°C gehören hier oben ebenso zum Alltag wie Schnee, der meterhoch liegt. Dank mächtiger Lawinenverbauungen und Schutzwäldern konnte sogar im Lawinenwinter 1999 das Lagerprogramm so angepasst werden, dass die Lostorfer Kinder in Dorfnähe gefahrlos verschiedenen Winteraktivitäten nachgehen konnten. Die grossen Aufenthaltsräume und die zur Verfügung stehende Turnhalle leisteten zudem in solchen Momenten Unterstützung für Tätigkeiten «am Schärme».

Nebst der Umstellung vom Frühlings- auf den Spätsommerschulbeginn im Jahr 1989 zeichnete sich an der Lostorfer Schule noch etwas anderes ab:
Die Anterthalbfach- oder Doppelführung der 5. und 6. Klasse war nicht nur eine vorübergehende Erscheindung, sondern blieb bestehen. In Anbetracht der grosszügigen Platzverhältnisse im Lagerhaus Obergesteln nahmen ab diesem Zeitpunkt Fünft- und Sechstklässler(innen) am Winterlager teil. Dies blieb für die nächsten 18 Jahre so.

Im Schuljahr 2006/07 waren indes die Schülerzahlen derart angestiegen, dass nicht mehr alle Kinder in die Lagerwoche hätten mitgenommen werden können. Man einigte sich deshalb auf eine neue Lösung: Für die sechsten Klassen blieb das Winterlager bestehen. Die fünften Klassen führten mit Standort Obergesteln eine Schulverlegung im Juni durch. Auf diese Art lernten die Lostorfer Kinder die Region Obergoms während verschiedener Jahreszeiten kennen. Sommersportarten wir Wandern, Velo fahren, Inlineskaten, baden, etc., erweitern seither das Repertoire der sportlichen Tätigkeiten.

2010 zwang der Kanton Solothurn die Lostorfer Schule das Konzept nochmals zu ändern. Die veränderten Übertrittsmodalitäten in die Sekundarstufe und ein Winterlager während dieser Zeit passten nicht mehr zusammen. Seit 2011 treiben die Fünftklässler(innen) Wintersport und die Sechstklässler(innen) Sommersport.

2013 – 2017: Diemtigtal, Ferienhaus Almiried
Eine Verschiebung der Lostorfer Sportwoche Richtung Frühling brachte auch eine Ortsveränderung mit sich. Das neue Lagerhaus hatte eine ideale Lage direkt an der Piste der «Wiriehornbahnen». Auf blauen, roten und schwarzen Pisten konnten die Kinder ihre Fertigkeit auf ihren Skiern und Snowboards während 5 Tagen ausgiebig erweitern. Das traditionelle Skirennen fand jeweils auf einer separaten Rennpiste mit elektronischer Zeitmessung statt.

Seit 2018: Thyon – les-Collons (VS)
Weil die drei Lagerhäuser im Diemtigtal Ende 2017 verkauft und einer neuen Nutzung zugeführt wurden, stand 2018 ein weiterer Ortswechsel an. In Thyon-les-Collons, am Eingang zum Skigebiet «Les 4 Vallées», können die jungen Lostorfer Schülerinnen und Schüler nun nicht nur Wintersport betreiben, sondern auch ihre im Unterricht erworbenen Französischkenntnisse testen und anwenden.

Vom Ski- zum Schneesportlager
Auch Lostorfs Gemeindefinanzen blieben im Laufe der Jahrzehnte nicht von Budget- und Steuerdiskussionen verschont. Die Durchführung der Lager wurde zwar von den zuständigen Behörden hinterfragt, aber schlussendlich immer unterstützt. Diese weitsichtige und grosszügige, dem Wohle der Jugend dienende Haltung war und ist nicht selbstverständlich und verdient Lob und Anerkennung.

Die Schule trug ihrerseits dazu bei, dass die Elternbeiträge weiterhin moderat ausfielen, indem sie nebst dem Ski- und Snowboardfahren andere, kostengünstigere Wintersporttätigkeiten ins Wochenprogramm aufnahm.

Früher mit der Papiersammlung, heute mit einem Weihnachtsmarkt, helfen die 5.- und 6.-Klässler(innen) mit, die Finanzierung der Lager zu ermöglichen.

Es bleibt zu hoffen, dass die Lostorfer Lagertradition auch in Zukunft erhalten bleibt.

Ein riesiges Dankeschön und Kompliment gehört den weit über 100 Personen, die sich während dieses halben Jahrhunderts uneigennützig und unentgeltlich für die Lager der Lostorfer Schule engagiert und Verantwortung übernommen haben. Ohne diese Mitarbeit gäbe es die Lager nicht und dieser Bericht wäre nie erschienen.

Falls Sie, liebe Leserin, lieber Leser, weitere Details, Anekdoten und Geschichten über diese Lager erfahren möchten, wenden Sie sich doch an die beiden pensionierten Lehrer Hans Niederhauser und Markus Spühler, welche mehr als 40 Jahre lang als Leiter dieser Lager mit dabei waren. Die Anschriften finden Sie im Telefonbuch unter «Lostorf».

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