DAS BAD LOSTORF IN FRÜHERER ZEIT

Nach ihrem Sieg in der Schlacht von Bibracte über die Helvetier im Jahr 58 v. Chr. besetzten die Römer weite Teile der heutigen Schweiz. Auf Grund von Funden ist nachgewiesen, dass auch unser Gemeindegebiet damals besiedelt war.
Als sich Jahrhunderte später die Vorstösse der Alamannen über den Rhein häuften, hatte die hier ansässige Bevölkerung bei Gefahr die Möglichkeit, sich auf ein Refugium auf dem «Gross Chastel» zurückzuziehen. Die Schutzsuchenden waren dabei auf Wasser angewiesen, das aber in ihrer Wehranlage fehlte. Dass sie deshalb die Quellen kannten, die östlich des Ziegelackers offen zu Tage traten, ist wahrscheinlich, lässt sich aber nicht abschliessend beweisen. Trotzdem ist es sicher nicht falsch, anzunehmen, dass die Heilquellen bereits vor 2000 Jahren genutzt wurden.
Der Solothurner Chronist Franz Haffner berichtet in seinem «Schauplatz» von 1666: «Im Jahr 1412 hat man das Gesundbad zu Lostorf gefunden.» Im Historischen Lexikon von Hans Jakob Leu ist sogar das Jahr 1402 aufgeführt.
Eine erste gesicherte Nachricht stammt aus dem Jahr 1484: Ein Wassersucher namens Meister Lorenz fasst das Wasser der oberen, direkt beim Bad zu Tage tretenden Quelle neu und versieht es «mit einer guten Wasserstube». Ein Empfehlungsschreiben der Obrigkeit in Solothurn an den Rat zu Säckingen, wo man
ebenfalls Wasser suchte, belegt Meister Lorenz’ Wirken in Lostorf.
In der Rechnung der Stadt Solothurn von 1486 ist der Betrag von zwei Gulden verbucht. Diesen Betrag schickten die Ratsherren ihrem Schultheissen Wengi (ein Grossonkel des bekannten Niklaus Wengi, der sich im Reformationsstreit vor die Kanonen stellte) als «Badschenke» für seinen Kuraufenthalt nach Lostorf.
Das Bad Lostorf war damals schon ein so genanntes Erblehen der Stadt Solothurn und blieb es bis ins Jahr 1840. Das bedeutet, dass es – im Gegensatz zur Neuzeit – nicht alle paar Jahre in die Hände eines neuen Pächters gelangte, sondern in Erbfolge vom Vater an den Sohn oder auf andere Nachfahren überging. Diese Tradition brachte es mit sich, dass seit Mitte des 15. Jahrhunderts nur drei Familien Lehensträger waren: die Weber (bis 1506), die Zumbach (bis 1534) und am längsten die Guldimann (1534–1840, bzw. als Besitzer bis 1912).
Die Lehensträger mussten für den Unterhalt und die Erneuerung der Badgebäude sorgen und hatten dafür finanziell gerade zu stehen. Meist erhielten sie aber bei grösseren Veränderungen von der Obrigkeit in Solothurn Beiträge in bar oder natura: Als im Anschluss an die neue Quellfassung ein Neubau errichtet wurde, lieferte Solothurn im Jahr 1486 die Ziegel und beauftragte «Meister Paule den Maler» eine Verzierung auf die Fassade zu malen. Den Solothurner Ratsunterlagen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts kann entnommen werden, dass einmal zwei neue Badekästen geliefert oder ein andermal 20 Gulden bezahlt und 1533 auf Ersuchen des Badewirtes eine Wappenscheibe für die Badstuben beigesteuert wurde.
In den Lehensverträgen zwischen der Stadt und dem Badwirt sind auch sogenannte Freiheiten aufgeführt. Darunter hat man besondere Vergünstigungen oder Lasten zu verstehen. Demnach musste jeder Bewohner des Dorfes Lostorf, der einen «Zug» (Ross und Wagen) besass, dem Badwirt einen Tag pro Jahr unentgeltlich Holz führen, «…wer aber einen Zug nit hätte, derselb sölle einen Tag Holtz houwen.» Als Gegenleistung musste der Badwirt nicht nur den Leistungserbringer, sondern seine ganze Familie während den Zeiten, in denen der Badbetrieb nicht ausgelastet war, gratis baden lassen.
Eine weitere «Freiheit» war das auf uralten Rechtsgewohnheiten beruhende Asylrecht, das Solothurn dem Bad zugestand, ähnlich dem von Kirchen und Klöstern. Allerdings war dieses Asylrecht kein Freibrief für Vergehen, die innerhalb des Bades begangen wurden. Deshalb war in den Verträgen stets folgender Passus angefügt: «…wer Unzucht in dem Bade thut oder darin fräfelt, es seye Geistlich oder Weltlich, Edel oder Unedel, Frauw oder Mann, der soll der Herrschaft ohn Gnad verfallen syn…». Dass es im Bad Lostorf vor über 400 Jahren oft deftig zur Sache ging, beweist der Fall des Pfarrers Jakob Ritter, der 1555 abgesetzt wurde. Ihm wurde zur Last gelegt, dass er «zu Lostorf in dem Bade gesessen und Ettliche Bycht gehöret» habe.
Gelegentlich mussten auch Badewirte wegen Nachlässigkeit, wegen ihres Lebenswandels oder wegen «Übernehmen der Badleuthe» von der Obrigkeit gemahnt werden. Weil oft keine dauerhafte Besserung eintrat, wurde als weiterer Schritt mit dem Landvogt zu Gösgen gedroht, der den Betreffenden «…uns gefänglich zu überschicken…» habe. Damit war die Angelegenheit dann meist wieder im Lot.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts stellten die Badegäste vermehrt fest, dass es den Badelokalitäten an zeitgemässem Komfort fehle. In den Jahren 1731 und 1732 wurden im Wesentlichen die Gebäudeteile errichtet, die in heutiger Erinnerung an frühere Zeiten als das «Alte Bad Lostorf» bezeichnet werden.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in der Alten Eidgenossenschaft im Zuge der damaligen Modernisierung und Reorganisation des Staatswesens viele alte Rechte neu gefasst. Solothurn kündigte 1840 die bestehenden Lehensverträge auf und das Bad Lostorf konnte durch eine einmalige Loskaufssumme von 1233 Franken durch die Familie Guldimann übernommen und weitergeführt werden. In der Übernahmeregelung wurde unter anderem festgehalten, dass der künftige Eigentümer die Verpflichtung habe, die Kapelle beim Bad weiterhin zu unterhalten. Nach der Ablösung von Solothurn blieb das Bad Lostorf noch 72 Jahre im Besitz der Familie Guldimann. Ab 1912 wechselten die nicht immer klar definierten Besitzverhältnisse bis in unsere Zeit in oft recht kurzer Folge.
Weil der Badbetrieb in Zeiten von Weltkrieg und Weltwirtschaftskrise nicht so recht in Schwung kommen
wollte, wurde das Bad Lostorf im Jahr 1915 von den neuen Besitzern der «Kantonalen Bürgerasylkommission» ein erstes Mal als Standort eines «Kantonalen Altersasyls» angeboten. Nach eingehenden Abklärungen in den Jahren zuvor, sprach sich im März 1931 eine vorberatende Kommission positiv für die Umnutzung des Bades Lostorf aus. Das Bad und der dazu gehörende Landwirtschaftsbetrieb sollten zu einem Alters- und Fürsorgeheim für die Gemeinden von Olten-Gösgen und Balsthal-Thal und -Gäu umgebaut werden. Beide Umnutzungspläne wurden schliesslich nicht umgesetzt.
Der Zeitung «Das Volk» vom 31.12.1962 ist folgender Abschnitt entnommen: «Nun hat mit dem Jahr 1962 für das Bad Lostorf eine neue Zeit begonnen. Zwei grosse Krankenkassen und ein tüchtiger Hotelfachmann haben es übernommen … bis zum Jahr 1965 wird ein Neubau erstellt … die Gewinnung des Schwefelwassers wird ausgebaut … aus dem vorhandenen Bad Lostorf soll versucht werden, das zu machen, was einem richtigen und modernen Bad gebührt.»
Die Geschichte des «Alten Bades» samt Plänen und Träumen endete brutal am Samstag, den 22. Januar 1966 Ein verheerender Grossbrand vernichtete einen Grossteil der Gebäulichkeiten.
Im Sommer 1971 wurde mit dem Bauer ersten Etappe des «Neuen Bades» begonnen und am 27. Oktober 1973 konnte der gesamte Neubau eingeweiht werden. Allerdings stand nie ein guter Stern über dem wieder eröffneten, modernen Heilbad. Guter Wille war zwar vorhanden und Mitte der Achzigerjahre des letzten Jahrhunderts machte sogar der FC Zürich auf seinen Spielertrikots Werbung für das Lostorfer Bad.
Spezielle und komplizierte Eigentums- und Finanzverhältnisse standen dem erfolgreichen Aufschwung im
Weg, so dass 2002 die Öffentlichkeit zur Kenntnis nehmen musste, das Bad sei geschlossen worden.
Einen kurzen Lichtblick gab es 2009, als neue Besitzer ihre Ausbaupläne vorstellten.
Auf Grund von Einsprachen wurde aber dieses Projekt in den ersten Tagen des Jahres 2012 auf Eis gelegt. Ob Lostorf in naher Zukunft je wieder das Prädikat «Thermalkurort» verwenden darf, steht leider in den Sternen geschrieben.
Obwohl man alten Zeiten nicht nachtrauern sollte: Für das Bad Lostorf wünschte man sich doch kurzfristig einen Landvogt, der mit einem Machtwort alles wieder ins Lot bringen könnte.