INTEGRATIVE ZIRKUSWOCHE ANLÄSSLICH DES 30-JAHRE JUBILÄUMS DES BUECHEHOFS – EIN RÜCKBLICK

Schon sind mehr als zwei Monate vergangen, das Sägemehl und die Holzschnitzel sind längst zusammengefegt, das blaue Zirkuszelt wurde kurz nach der Schlussaufführung abgeräumt. Es ist wieder Ruhe eingekehrt im Mahrentäli, rund um den Buechehof. Die Betreuten und Mitarbeiter gehen wieder ihren gewohnten Aufgaben nach.
Jedes Mal, wenn wir zum Buechehof fahren oder daran vorbei, fragt unser bald fünfjähriger Sohn, wann denn hier wieder Zirkus sei im blauen Zelt. Es sei toll gewesen, fügt er dann meistens noch an. So wie ihm ergeht es bei genauerem Hinhören und Nachfragen vielen Betreuten und auch Mitarbeitern des Buechehofs. Auf meine Frage, was das Beste an der Zirkuswoche war, erhielt ich fast unisono die gleiche Antwort: Alles! Und die Vorführungen! Von den Kindern der zwei beteiligten Schulklassen, von Bernhard Heim und Lilian Köhn-Witzig, tönte es ähnlich: «Das Üben mit den Leuten vom Buechehof», oder «Die Aufführungen vor so viel Publikum und dass wir neue Freunde gefunden haben». Die Lehrerin Lilian Köhn ergänzte: «Da sind vor allem innerhalb der Gruppen Freundschaften zwischen den Schulkindern und den Betreuten aus dem Buechehof entstanden.»
Die beiden Schulklassen haben dem, für viele noch fremden, Buechehof vor der Zirkuswoche einen Besuch abgestattet. Dieser Morgen sei vor allem für die Schulkinder sehr wichtig gewesen, um Berührungsängste abzubauen. Und auch, um ihnen die Möglichkeit zu geben, Fragen zum Buechehof und den Betreuten zu stellen. «Aber wir haben mehr Fragen und grössere Hemmschwellen erwartet», waren sich die beiden Lehrpersonen einig.
Andreas Schmid, Gesamtleiter des Buechehofs und Mitglied der Projektgruppe «30 Jahre Buechehof»,
welche für die Organisation der Zirkuswoche verantwortlich war, bestätigte dies: «Wir waren alle gespannt, ob und wie das Kennenlernen klappen würde. Aber dank der, auf beiden Seiten vorhandenen, grossen Portion Neugier und dem sachten «Beschnuppern», funktionierte die Zusammenarbeit erstaunlich gut.»
Am ersten Morgen der Zirkuswoche seien die Schüler, welche in dieser Woche alle mit dem Fahrrad kommen durften, im Buechehof freudig empfangen worden, fügte Lilian Köhn an.
Riesige Organisation für eine gelungene Zirkuswoche
An den folgenden Tagen wurde in acht Räumen, verteilt im Dorf, geprobt und viel gelacht. Betreute und Schüler wurden jeweils von einem Zirkuspädagogen oder einer Zirkuspädagogin des «Circus Luna» angeleitet. Immer dabei waren auch Mitarbeiter des Buechehofs. Die Zusammenarbeit zwischen den Zirkuspädagogen, Mitarbeitern des Buechehofs, Lehrpersonen der Lostorfer Schule und Andreas Weisser, der die Betreuten des Buechehofs schon während der letzten zwölf Jahre durch die jährliche Zirkuswoche begleitet hat, war der Brückenbauer zwischen allen Teilnehmern. Dass das Team des «Circus Luna» schon viele grössere Projekte bestritten hatte, merkte man der Planung der Zirkuswoche an.
Zusammen mit der Projektgruppe des Buechehofs nahm die Organisation der Zirkuswoche schon Monate zuvor Gestalt an. Für die Organisation des «Rund um die Zirkuswoche» war die Projektgruppe des Buechehofs verantwortlich. Da galt es, an alles zu denken. Etwa: Wie kommen die Betreuten von den Proberäumen für das Mittagessen zurück an den Buechehof? Wo übernachten die Zirkuspädagogen? Zwischenverpflegungen vorbereiten, WC-Wagen organisieren, dafür sorgen, dass keine Jauche ausgetragen wird auf dem Feld, wo das Zelt zu stehen kommt, Bewilligung für Einbahnverkehr einholen, usw. Selbst vor der Hauptprobe kam noch kurz Hektik auf. Etwa war noch kein Weg aus Holzschnitzeln zum Zelt vorbereitet worden und über Nacht war es kalt geworden, so dass kurzerhand Heizkörper ins Zelt gebracht werden mussten, um die nassen Rampen und Sitzbänke zu trocknen.
Ängste, Herausforderungen und Erfolgserlebnisse
Auf die Frage, wovor sie am meisten Angst oder Respekt gehabt hätten, antworteten viele der Schüler ähnlich: «Ich wusste nicht, ob wir zusammen arbeiten können», sagte etwa Noël. «Ich hatte Angst, dass sich jemand verletzt», sagte Ela. «Ich hatte Angst davor, dass wir uns nicht verstehen», konnte ich in den schriftlichen Rückmeldungen der Schüler und Schülerinnen mehrmals lesen.
Und natürlich, besonders vor der ersten Schlussaufführung, waren alle aufgeregt, insbesondere weil bekannt wurde, dass die Vorstellung ausverkauft sei. Lehrerin Köhn gab zu, sie hätte als Erwachsene einen flauen Magen gehabt bei den Akrobatik- und Balanceübungen. Aber sie habe in dieser Woche gelernt, dass Kinder im Alter von 10 bis 12 ganz gut wissen und einschätzen könnten, wer sie hält, wenn sie auf der Leiter balancieren oder eine Menschenpyramide bilden – kurz, wem sie wie viel zutrauen, respektive vertrauen können.
Maja Egger, Sozialpädagogin am Buechehof und während der Zirkuswoche bei der Balance-Gruppe dabei, ergänzte: «Meine grösste Befürchtung war, dass der Betreute mit dem höchsten Unterstützungsbedarf an der Vorführung «aus der Reihe tanzen» würde und ich dadurch ungewollt im Rampenlicht intervenieren müsste. Die Schülerinnen konnten das Vertrauen des Betreuten gewinnen und führten ihn mit hoher Sozialkompetenz durch die Balancenummer.»
Andreas Weisser nannte es «menschliches Grundbedürfnis zur Kooperation». Die Fähigkeit, zusammen zu arbeiten, schaffe Glücksgefühle, Selbstwertschätzung und Gemeinschaftserlebnisse.
Am meisten berührt habe sie, dass, aus dieser Kooperation heraus und unter der sehr einfühlsamen Leitung der Zirkuspädagogen, teil verborgene Talente bei Betreuten zum Vorschein gekommen seien und sie ihre Ängste überwinden konnten, fügte Maja Egger an. Wie etwa Martina, die auf der umgedrehten Langbank über dem Boden balancierte oder Irina, die sich mutig ins Vertikaltuch wickelte oder Adnan und Onur, die Feuerpois und brennende Stangen schwangen.
Mit dem gemeinsamen Singen des Zirkusliedes und einem lautstarken «Ratscha-Luna» verabschiedeten sich die «Zirkusleute» vom begeisterten Publikum. Schön war’s!
Und wer weiss, vielleicht gibt es schon im nächsten Jahr ein weiteres integratives Projekt zusammen mit der Schule Lostorf.