Profivertrag beim FC Basel – Women Super League!

Es war nicht ganz einfach, einen Termin für unser Treffen zu finden. Flavia Lüscher (19) hat einen gedrängten Wochenplan. Die gebürtige Lostorferin ist mit ihren Eltern und zwei Brüdern am Wolfackerweg aufgewachsen. Es ist nicht so, dass Flavia familiär, betreffend Fussball, vorbelastet wäre. Nein, ihre Leidenschaft zum Fussball wurde durch Kolleginnen und Kollegen in der Schule geweckt.
Bereits mit acht Jahren begann sie, hoch motiviert, beim FC Winznau Fussball zu spielen – wohlgemerkt: vorwiegend mit Jungs zusammen. Sie durfte direkt bei den F-Junioren starten und durchlief die weiteren Stufen bis zu den D-Junioren, bevor sie für die FE-13 des Solothurner Fussballverbandes Ost (SOFV) gesichtet wurde. Parallel spielte Flavia noch für die U13-Regionalmannschaft der Mädchen. Die U13 ist eine Gruppe gleichaltriger Mädchen, welche für kantonale Auswahlen aussortiert werden und turniermässig gegen andere Kantone antreten. Später folgte der Wechsel in die Jugendabteilung der FC Basel Frauen. Flavia absolvierte die Primarschule und Oberstufe – schon damals widmete sie einen grossen Teil ihrer Freizeit dem Fussball und lernte dadurch, ihre Zeit einzuteilen. Im Sommer 2022 war es so weit. Flavia unterschieb beim FC Basel in der Women’s Super League ihren ersten Profivertrag.
Ist es möglich, neben deinem gedrängten Trainingsplan eine Ausbildung zu machen?
Ja, zurzeit bin ich an meinem Lehrabschluss zur Elektroplanerin. Diese vierjährige Ausbildung durchlaufe ich in Basel, damit ich an den Trainings zeitnah teilnehmen kann. Nach meinem Lehrabschluss, im Sommer 2023, darf ich bei meinem jetzigen Arbeitgeber weiterarbeiten. Ein Glücksfall für mich!
Wie oft trainierst du pro Woche?
Ich habe fünfmal pro Woche Training à je 1 Stunden, plus zwischendurch zusätzliche Krafttrainings à 40 Min. An einem von zwei Morgentrainings kann ich leider nicht teilnehmen, da ich an diesem Tag Schule habe. Das zweite Morgentraining schenkt mir mein Arbeitgeber grosszügigerweise – sprich, ich darf während der Arbeitszeit daran teilnehmen. Dafür bin ich sehr dankbar. An den Wochenenden findet jeweils samstags oder sonntags das Spiel statt. An die Auswärtsspiele fahren wir geschlossen mit der Mannschaft mit dem Car. Ausser Testspielen, anlässlich der einmal im Jahr stattfindenden Trainingslager, finden alle in der Schweiz statt. Dieses Jahr waren wir während einer Woche im Trainingslager auf Teneriffa.
Deine Spieler-Nummer ist die 5 – Was hat es damit auf sich?
Die Nummer 5 hat für mich eine grosse Bedeutung. Einerseits haben meine Vorbilder Michael Lang (aktuell auch die Nr. 5) und Silvan Widmer (ehemalige Nr. 5 beim FC Basel) die gleiche Rücken
nummer und spielen auch in der Verteidigung. Andererseits passt es auch zu unserer Familie, da wir fünf Personen sind.

Wohnst du noch in Lostorf oder Basel? Wie pendelst du?
Seit zwei Jahre wohne ich in einer Wohngemeinschaft in Basel, zusammen mit drei Spielerinnen. Damit der Weg zwischen den Trainings und der Arbeit nicht so lange dauert. Mittwochs komme ich jeweils nach Hause zu meiner Familie und geniesse den trainingsfreien Abend. Jeweils montags und donnerstags fahre ich mit dem Auto von Lostorf nach Basel. In Basel hingegen bin ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Ich besitze ein eigenes Auto. Ein Teil meines Autos wurde gesponsert, da ich es bei unserem Club-Sponsor gekauft habe. Es ist ein gutes Occasions-Auto. Ein neues kann ich mir mit meinem jetzigen Lohn nicht leisten.
Spürtest du als Frau im Fussball Widerstand? Wie sieht es betreffend Rivalität unter den Frauen aus?
In den Anfangsjahren war es schon so – da haben mich die Jungs zum Teil belächelt. In den Jahren, welche ich mit den Jungs spielte, hatte ich jedoch nie das Gefühl, nicht respektiert zu werden. Rivalität gab und gibt es überall, auch bei den Frauen.
Was fasziniert dich am Fussball? Wer motiviert dich, wenn es mal nicht so läuft, wie du es möchtest?
Es ist eine Teamsportart, die ich mit meinen Mitspielerinnen teilen kann. Wir lachen und kämpfen zusammen. Es ist toll, gemeinsam etwas zu erreichen. Klar, es gibt auch hier Situationen, die nicht mühsam sind, z.B. wenn ich eine längere Zeit des Matches auf der Ersatzbank verbringen muss. Das zerrt an den Nerven und macht mich nachdenklich. Zum Glück habe ich meine Familie, die mich immer auffängt – Papi motiviert mich betreffend Fussball und Mami motiviert mich persönlich.
Deine Brüder sind sicherlich stolz, dass ihre Schwester beim grossen FCB unter Vertrag steht?
Ja, das sind sie. Mein jüngerer Bruder zieht ins Unihockeytraining immer das Shirt an, welches ich ihm von mir geschenkt habe. Das freut mich natürlich sehr.
Du warst vor Weihnachten verletzt. Was hattest du? Wie kam es dazu?
Wir hatten das Cup-Achtelfinal-Spiel gegen die Frauen des FC Zürich. Es war ein sehr zweikampfbetontes Spiel. Nach ca. 60 Minuten war für mich Feierabend. Ich musste leider mit einer Fussverletzung, einem geschwollenen Handgelenk und einer offenen Wunde am Oberschenkel, ausgewechselt werden. Ein paar Tage später war ich zum Röntgen in der Rennbahnklinik in Muttenz aufgeboten. Da auf den ersten Blick nichts genaueres erkannt werden konnte, folgte ein MRI. Es stellte sich heraus, dass die Bänder angerissen und ein Stück Knochen abgesplittert waren. Da der Knochen jedoch zwischenzeitlich bereits wieder zusammengewachsen war, blieb mir eine Operation erspart. Nach einer 5-wöchigen Trainings-Pause inklusive Rehabilitationstraining fühlte ich mich wieder fit für den Saisonstart.
Du hast seit letztem Sommer einen Profivertrag beim FCB. Kannst du von diesem Lohn leben?
Nein, bei weitem nicht. Ich bekomme einen kleinen monatlichen Betrag, bin durch den Vertrag beim FCB angestellt, muss keinen Mitgliederbeitrag mehr bezahlen und die Trainingslager sind gratis. Das ist alles.
Wie ist der Stellenwert des Frauenfussballs, gegenüber dem der Männer, in Basel? Werdet ihr dort wahrgenommen?
Das ist ein riesiger Unterschied! An unseren Matches nehmen ca. 250 Personen teil und bei den Herren ca. 15 000. Auch dürfen wir nicht im Joggeli spielen. Unsere Spiele werden auf einem Trainingsplatz in der Nähe durchgeführt. Sicherlich auch, da unsere Matches oftmals zeitgleich stattfinden. Dann gehen die Besucher natürlich ins Joggeli. Der FCB ist daran, auch für uns mittlerweile mehr Werbung zu machen.
Hast du bereits einen Manager?
Ja, wir haben fast alle einen Manager. Er hilft uns, wenn wir Probleme mit dem Verein haben, wir schauen zusammen Spiele an und besprechen diese. Auch kümmert er sich gegen Ende des Vertrages um eine weiterführende Möglichkeit – eben hoffentlich in Deutschland.
Wie sehen deine Zukunftspläne aus?
Bis 2024 stehe ich beim FCB unter Vertrag, danach würde ich gerne in Deutschland spielen. Ich hoffe, dort durch meinen Manager einen Profivertrag zu erhalten. Zuvor werde ich jedoch noch meinen Lehrabschluss machen.
Liebe Flavia, ich danke dir ganz herzlich für deine wertvolle Zeit und wünsche dir weiterhin viel Erfolg. Ich freue mich schon jetzt, an einem deiner Spiele zuschauen zu dürfen!
