Vom Füllfederhalter zum Personal Computer

Ende August 2021 legt Gemeindeschreiber Markus von Däniken nach 35 Jahren im Dienst der Gemeinde Lostorf – bildlich gesprochen – seine Schreibfeder nieder und tritt in den Ruhestand. Grund genug, ihm noch vor seiner Pensionierung einige Fragen zu seiner Arbeit auf der Lostorfer Gemeindekanzlei zu stellen.
Seit wann bist du Gemeindeschreiber von Lostorf?
Meine Stelle habe ich am 1. Juli 1986, einem sonnigen Dienstag, angetreten.
Was hast du beruflich vor deinem Amtsantritt in Lostorf getan?
Während 6 Jahren war ich Leiter der Einwohnerkontrolle in Schönenwerd. Nebst dem Aktuariat der Planungskommission war ich auch Zivilschutzstellenleiter.
Was gab für dich den Ausschlag, diese Stelle in Lostorf anzunehmen?
Mein berufliches Ziel war immer, Gemeindeschreiber zu werden. 1986 waren zwei solche Stellen frei, eine in Lostorf und eine in Starrkirch-Wil. Lostorf kannte ich schon aus meiner Jugendzeit, weil meine Grosseltern hier wohnhaft waren. Mein Entscheid war also klar.
Magst du dich noch an deinen ersten Arbeitstag auf der Gemeindekanzlei Lostorf erinnern?
Daran erinnere ich mich gerne! Ich musste mich um 09.00 Uhr beim Statthalter (heute heisst diese Funktion Gemeindevizepräsident) Markus Annaheim melden und wurde in seinem Eigenheim von ihm und seiner Frau Lea herzlich begrüsst. Wir fuhren anschliessend ins Schulhaus 1912, wo mir der damals amtierende Schulhausabwart, Werner Rothen, vorgestellt wurde. Wir besichtigten auch die anderen gemeindeeigenen Gebäude, wie Dreirosenhalle und Werkhof/Feuerwehr. Danach wurde mir mein neuer Arbeitsplatz an der Mahrenstrasse 18 gezeigt. Die Gemeindekanzlei, die Finanzverwaltung und die Bauverwaltung waren in diesem Wohnblock seit 1970 in je einer 4-ó-Zimmerwohnung untergebracht. Erst am 5. Dezember 1988 wurde das neue Gemeindehaus an der Hauptstrasse 5 bezogen.
Wenn du deine damalige Stellenausschreibung mit derjenigen deiner Nachfolgerin vergleichst, was hat sich verändert?
Im Vergleich zu damals haben sich auf der Kanzlei einige Dinge verändert, z.B. diese:
- Der Gemeindeschreiber wurde damals noch alle vier Jahre durch die Stimmberechtigten gewählt. Als einziger «Auswärtiger» hatte ich mir 1986 gegen vier einheimische Bewerber nur eine kleine Wahlchance ausgerechnet. Es ist anders gekommen!
- Der sogenannte «Beamtenstatus» wurde in den neunziger Jahren abgeschafft. Heute erfolgt die Wahl des Gemeindeschreibers resp. der Gemeindeschreiberin durch den Gemeinderat.
- Die Identitätskarten aus Karton durften wir damals noch selber auf der Gemeindekanzlei ausstellen, inklusive Montage der Fotos mit doppelseitigem Klebeband.
- Die Steuererklärungen mussten auf der Gemeinde und nicht beim Kanton eingereicht werden.
- Für die Reinigung privater Schwimmbecken war Salzsäure erforderlich. Für deren Bezug in der Drogerie oder Apotheke mussten wir noch einen Giftschein ausstellen.
- Die Stammdaten jedes Einwohners wurden in Lostorf anno 1985 zum ersten Mal elektronisch erfasst. Zu- und wegziehende Personen habe ich am Anfang zusätzlich noch handschriftlich im «grossen Buch» der Einwohnerkontrolle erfasst. Diese Bücher sind auf der Gemeindekanzlei immer noch vorhanden und man ist auch heute noch ab und zu auf diese Daten angewiesen.
- Meine Schreibmaschine habe ich immer noch in Betrieb. Sie ist nach wie vor sehr hilfreich und praktisch, z. B. zum Ausfüllen von Formularen, welche die Kunden am Schalter vorlegen und von uns bestätigt werden müssen.
- Im Jahre 1995 wurde auf der Bauverwaltung der erste PC installiert. Er verfügte über eine Festplatte von 20 MB. Anlässlich der Instruktion meinte der Kundenberater: «Diese Festplatte werden sie vermutlich nicht füllen»!
Das Wort «Schreiber» in deiner Berufsbezeichnung umfasst kaum die ganze Palette deiner Tätigkeiten in diesem Amt.
Als «Schreiber» ist man oftmals erste Ansprechperson für Anliegen jeglicher Art in der Gemeinde. Es ist doch einige Male vorgekommen, dass sich Jungfüchse in einem Gartenhaus aufgehalten, Marder ins Unterdach eingedrungen oder ein Wespennest im Storenkasten eingebaut waren und Kunden um Hilfe nachgefragt haben. Im vergangenen Jahr, mit der Coronapandemie, habe ich auf dem Spielplatz neben den Alterswohnungen mit Hammer und Nägeln Plakate angebracht, weil dieser vorübergehend nicht mehr zur Verfügung gestanden hat.
Welche Tätigkeit als Gemeindeschreiber hat dir besonders gefallen?
Das Amt als Zivilstandsbeamter hat mir immer sehr gut gefallen. Bis im Jahre 2004 konnte ich das Zivilstandsamt Lostorf führen. Durch die Regionalisierung wurde es nach Olten verlegt. Von 1986 bis 2004 durfte ich 285 Trauungen durchführen. Der persönliche Kontakt mit den Brautleuten, als diese bei mir das «Aufgebot» bestellen mussten oder auch nachher als verheiratetes Ehepaar, habe ich immer sehr geschätzt.
Am 9. 9. 1999 haben sich in Lostorf sieben Bratpaare trauen lassen. An diesem Tag war ich ausschliesslich mit Trauungen beschäftigt. Es gab aber auch Trauungen mit Dolmetscher/in, wenn die Braut oder der Bräutigam der deutschen Sprache nicht mächtig waren. Als «Ziviler» wie man den Zivilstandsbeamten auch nannte, konnte ich insgesamt 15 Hausgeburten in das entsprechende Geburtsregister eintragen.
Jede/r Schweizerbürger/in verfügt über einen Heimatort/Bürgerort. Dort werden auch heute noch sämtliche zivilstandsamtlichen Vorgänge von der Geburt, Trauung, Scheidung oder Todesfall in sogenannten Familienregisterblättern eingetragen. Insgesamt konnte ich über 1000 solche Blätter eröffnen. Am Anfang noch mit der Füllfeder, später mit der Schreibmaschine. Wurden die Angaben nicht korrekt erfasst, musste das ganze Blatt nochmals neu geschrieben werden (Korrekturbänder waren nicht gestattet). Dies erfolgt heute allerdings alles elektronisch. Gerne denke ich heute noch mit Wehmut an die alte Zeit zurück.
Wie hast du als Zivilstandsbeamter das Spannungsfeld zwischen Geburt, Hochzeit und Tod erlebt?
«Der Tod gehört auch zum Leben», sagte der kantonale Zivilstandsinspektor jeweils bei der Revision des Zivilstandsamtes. Es war durchaus möglich, dass ein Vater die Geburt seines Kindes anmeldete, was ein freudiges Ereignis darstellte.
Kaum hatte dieser das Büro verlassen, empfing ich Angehörige, die mir den Todesfall eines Familienangehörigen melden mussten. Da war es erforderlich, in kürzester Zeit eine einfühlsame, andere Seite zeigen zu können. Der Verlust eines Familienangehörigen ist für die Hinterbliebenen stets mit grossem Leid und Schmerz verbunden.
Wie erlebtest du die Zusammenarbeit mit Behörden, Kommissionen und der Bevölkerung?
Die Zusammenarbeit war immer konstruktiv, obwohl zu Beginn meiner Gemeindeschreiberzeit sich das «Politische» ab und zu bemerkbar machte. Seit einigen Jahren befinden sich im Gemeinderat fünf verschiedene Parteien. Obschon unterschiedliche Meinungen zu gewissen Geschäften bestehen (die Demokratie lebt davon), ist die Zusammenarbeit stets konstruktiv, fair und auch mit dem nötigen Respekt erfolgt.
Mit der Bevölkerung hatte ich eigentlich immer ein gutes Einvernehmen, auch wenn wir auf der «Kanzlei» nicht immer alle Wünsche erfüllen können.

Dass du dieses Amt so viele Jahre ausgeführt hast, ist für mich ein Zeichen dafür, dass dir deine Arbeit gefallen hat. Gibt es Begegnungen und Anlässe, die dir besonders in Erinnerung geblieben sind?
Den persönlichen Kontakt mit den Kunden habe ich immer sehr geschätzt. Ich war immer gerne für unsere Kundschaft da.
Seit 1985 bestehen mit der Gemeinde Rielasingen-Worblingen (Deutschland) partnerschaftliche Beziehungen. Diese Partnerschaft wurde in den Jahren 1998 anlässlich der Lostorfer 850-Jahr-Feier und 1999 in Rielasingen offiziell besiegelt. Die gemeinsamen Treffen in Rielasingen oder in Lostorf mit unserer Partnergemeinde haben mir immer hervorragend gefallen. Die persönlichen Kontakte mit den «Rielasingern» aus der Verwaltung oder dem Gemeinderat waren äusserst herzlich, lustig und interessant.
Die Eröffnung des Buechehofs in Lostorf im November 1987 ist mir auch noch in Erinnerung. Zusammen mit dem damaligen Gemeindepräsidenten Paul Lang waren wir zur Eröffnung eingeladen und haben eine Blumenschale mit Karte überbracht.
Dein Arbeitsort war die Gemeindekanzlei. Das Wahrzeichen Lostorfs, das Schloss Wartenfels, hat für dich als Gemeindeschreiber aber zusätzlich eine besondere Bedeutung.
Schloss Wartenfels ist für mich einerseits ein wunderbarer Ort, um Kraft zu tanken, andererseits bin ich mit ihm von Amtes wegen verbunden. Nach 35 Jahren gebe ich Ende August 2021 das Amt des Aktuars der Stiftung Schloss Wartenfels ab. In irgendeiner Form werde ich aber auch künftig für das Schloss im Einsatz stehen.
Nicht nur einzelne Punkte der Stellenbeschreibung deines Amtes haben sich verändert. In der langen Zeit deines Wirkens in Lostorf hat sich auch das Dorf und das Dorfleben verändert. Wie hast du diese Veränderungen in deinem Job wahrgenommen, bzw. wie haben sie sich auf deinen Beruf ausgewirkt?
Ich bin froh, dass wir immer noch über ein funktionierendes Vereinsleben in unserer Gemeinde verfügen. Dazu müssen wir Sorge tragen. Die Ortsvereine sind eine wichtige Stütze unserer Gesellschaft und bringen Leben und Kultur in unsere Dorfgemeinschaft. Dies sollte nicht unterschätzt werden. Ein Verein bedeutet nicht nur Geselligkeit und Kameradschaft, sondern auch Arbeit.
Im Geschäftsalltag sind wir heute zunehmend gefordert, weshalb man nicht mehr unbedingt bereit ist, Freiwilligenarbeit zugunsten der Gesellschaft zu leisten, sei dies im Turnverein (Turnerabend), der Musikgesellschaft (Jahreskonzert, Beizlifest), dem Fasnachtsverein (Fasnacht) oder in anderen Vereinen.
Auch eine Gemeinde funktioniert nur mit «Freiwilligen» (Gemeinderats- und Kommissionsmitglieder). Müssten diese Leistungen durch die Gemeinde eingekauft werden, wäre dies nicht bezahlbar.
Am Anfang wurde erwartet, dass der Gemeindeschreiber an vielen gesellschaftlichen Gemeinde- oder Vereinsanlässen teilnahm. Diese gesellschaftlichen Verpflichtungen sind heute nicht mehr so ausgeprägt.
Welches sind deine Pläne und Ideen für die Zeit nach deiner Pensionierung? Worauf freust du dich besonders?
Keinen vollen Terminkalender mehr zu haben! Mit meiner Frau möchte ich einmal eine Reise über «den grossen Teich» machen und Kanada oder die USA erkunden.
… was ich auch noch sagen wollte …
Ich bedanke mich ganz herzlich beim ganzen Team im Gemeindehaus für die stete Unterstützung, insbesondere bei meinen beiden langjährigen und sehr zuverlässigen Mitarbeiterinnen, Vreni Bucher und Pascale Zumstein, sowie beim Gemeindepräsidenten Thomas Müller. Ich habe diese Zusammenarbeit immer sehr geschätzt.
Einen Wunsch habe ich noch: Es wäre herrlich für unser schönes Dorf, wenn das Bad Lostorf endlich aus dem Dornröschenschlaf erwachen würde und wieder zu einem attraktiven Ort gestaltet werden könnte.