Von Siebenbürgen nach Lostorf

Am Sonntag, 24. April, wird Pfarrer Michael Schoger seinen letzten Gottesdienst in Lostorf halten.
Vor beinahe 40 Jahren, an Heiligabend 1983, hatte er seinen ersten Einsatz in der reformierten Kirche Lostorf, damals noch im Pfarrkreis Lostorf-Obergösgen. Inzwischen sind noch Stüsslingen-Rohr, sowie Niedergösgen, unter dem Oberbegriff «Pfarramt Nord», dazugekommen.
Wie Michael Schoger diese lange Zeit bei uns erlebt hat und ob es ihm zukünftig gar langweilig wird, wollte ich von ihm wissen. Der Schreibende hat übrigens gleich ab 1984 den Religionsunterricht an der Primarschule bei Pfarrer Schoger besucht, wurde später von ihm konfirmiert, viel später sogar durch ihn verheiratet und hat dazwischen noch das eine oder andere musikalische Chorprojekt mit ihm realisiert. Grund genug für ein Interview zum Abschluss seiner Zeit als Pfarrer.
Michael, beginnen wir im Heute: Was machst du nach dem 24. April? «Nur» noch Enkelkinder hüten?
Tatsächlich nehmen unsere inzwischen vier Enkelkinder bei meiner Frau Ingrid und mir einen grossen und wichtigen Platz ein und wir hüten sie regelmässig. Gerne gehe ich auch Ski- und Fahrradfahren, dafür habe ich jetzt sicherlich mehr Zeit. Ein kleines, neues Amt werde ich aber doch noch übernehmen: Ich wurde soeben zum Präsidenten der Synode (Kirchenparlament) der Reformierten Kirche des Kantons Solothurn gewählt, deren Dekan ich von 2001 bis 2017 war.
Konnte deine Nachfolge bereits geregelt werden?
Der Kirchgemeinderat der reformierten Kirchgemeinde Niederamt ist in der glücklichen Lage, einen Nachfolger gewählt zu haben, was in der heutigen Zeit gar nicht selbstverständlich ist, da viele kirchliche Stellen unbesetzt bleiben.
Was wünscht du deinem Nachfolger, was wünscht du der Kirchgemeinde?
Ich wünsche der Kirchgemeinde, dass sie offen bleibt und den Weg zusammen mit meinem Nachfolger geht. Ihm wünsche ich, dass er das Gespür für die Gemeinde behält. Er muss der Gemeinde nicht sagen, wo es langgeht, sondern einfach den Weg mitgehen.
Aber ich möchte hier grundsätzlich keine Ratschläge erteilen.

Blicken wir zurück: Vor beinahe 40 Jahren kamst du aus dem deutschsprachigen Teil von Rumänien, Siebenbürgen (auch bekannt als Transsylvanien), nach Lostorf, resp. Obergösgen, wo du die letzten Jahrzehnte mit deiner Familie im Pfarrhaus gewohnt hast. Wie kam es dazu?
Das passierte auf verschlungenen Wegen. Meine theoretischen Studien habe ich im rumänischen Sibiu, auch Hermannstadt genannt, gemacht und mit dem Lizentiat abgeschlossen. Im familiären Zusammenhang mit der sogenannten «Spätaussiedlereinwanderung» bin ich dann nach Deutschland ausgewandert und habe auch den deutschen Pass erhalten.
Eine direkte Einreise in die Schweiz wäre damals gar nicht möglich gewesen. In Rumänien herrschte noch das kommunistische Regime und es gab strikte Ein-/Ausreisebestimmungen. Anschliessend bin ich für das praktische Studium in die Schweiz gekommen und habe 1985 in Zürich abgeschlossen, d.h. die Wahlfähigkeit für die dem Konkordat angeschlossenen Kirchen erhalten. Mein Praktikum hatte ich übrigens bereits in Lostorf gemacht und mich für die neu geschaffene Stelle bewerben können. Der damalige Kirchenrat gab mir die Chance und wollte mit mir den gemeinsamen Weg gehen.
Deine Frau Ingrid stammt aus dem gleichen Dorf wie du. Ist sie damals auch mit dir in die Schweiz gekommen?
Auch das war auf direktem Weg nicht möglich. Ich lebte und arbeitete 1984 bereits in der Schweiz und bin dann nochmals zurück, um Ingrid zu heiraten. Erst dann durfte sie, ebenfalls via Umweg über Deutschland, in die Schweiz einreisen.
Spannendes Detail: Damals erhielt der rumänische Staat pro ausreisender Fachkraft (je nach Ausbildung) zwischen 5000 bis 10 000 D-Mark vom deutschen Staat. Seither weiss ich, wieviel ich wert bin! (lacht)
Durftest du anschliessend weiterhin nach Rumänien ein- und ausreisen? Wie ist dein Verhältnis heute zu deiner alten Heimat?
Es gab zu Beginn eine sogenannte «Barriere» und ich durfte 1 Jahr lang nicht nach Rumänien reisen. Anschliessend war das wieder problemlos möglich. Inzwischen leben aber in Siebenbürgen keine Verwandten mehr von mir und auch sonst ist der deutschsprachige Teil der Bevölkerung aus dieser Region mehrheitlich ausgewandert.
Für mich ist Rumänien ein schönes Urlaubsziel, meine Heimat ist aber hier in der Schweiz, wo meine Familie lebt.

Du hast später Hilfsaktionen lanciert, um die gebeutelte Bevölkerung in Rumänien zu unterstützen?
Richtig, das war gleich zu Beginn eine grosse Aktion nach dem Zusammenbruch des Regimes und wir konnten da in der Kirchgemeinde über 800 Schachteln mit Hilfsgütern zusammentragen, welche wir mit Lastwagen persönlich vor Ort der Bevölkerung überbrachten. Jahre später gab es auch noch Sammlungen, z.B. mit alten Skiausrüstungen. In all den Jahren haben wir mit der Kirchgemeinde diverse Hilfsaktionen und Sammlungen durchgeführt, welche aber auch für andere Länder (z.B. Peru) oder Projekte in der Schweiz (z.B. Sterbehospiz Solothurn) bestimmt waren.
Stichwort Reformierte Kirche in unserer Region: Generell ist ein Rückgang der Mitglieder in allen Landeskirchen zu beobachten. Wie sieht die Situation hier aus?
Die Reformierte Kirche im Niederamt ist kleiner geworden. Durch die Fusion mehrerer Gemeinden zu einem grösseren Pfarrkreis, konnten zumindest Personalkosten eingespart werden, ohne die Mitglieder durch höhere Steuern belasten zu müssen. Gründe für den Rückgang gibt es viele: In Schönenwerd hat es zum Beispiel auch mit dem Wegzug grosser Firmen und deren Angestellten zu tun (Bally, Erismann, usw.). Im weiteren wird die Kirche häufig auf den Gottesdienst reduziert, wo heutzutage vor allem auch etwas die jüngeren Leute und Familien fehlen. Die Aufgaben der Kirche sind aber vielfältig und beinhalten, nebst der Durchführung von Gottesdiensten, die Seelsorge und natürlich auch schulische Aufgaben, wie den Religionsunterricht.
Ist die Ökumene die Lösung, um Abgänge aufzufangen oder aufzuhalten?
Die Ökumene war mir immer sehr wichtig, deshalb nimmt sie bei der aktuellen Ausstellung in der Reformierten Kirche Lostorf, mit einer Rückschau auf meine Arbeit in den letzten Jahrzehnten, einen wichtigen Platz ein. Die ökumenische Arbeitsgruppe der evang.-reformierten und röm.-katholischen Kirchgemeinde trifft sich auch nach vielen Jahren und pflegt eine intensive Arbeitsbeziehung. Ökumene meint nicht nur die Zusammenarbeit mit den anderen Landeskirchen, sondern auch die Zusammenarbeit mit den Behörden der Einwohnergemeinden oder Bürgergemeinden. Wir alle sprechen die gleiche Bevölkerung an und dürfen uns nicht gegenseitig konkurrenzieren.
In Obergösgen, wo wir auch grössere Projekte mit der Einwohnergemeinde, Schule und Kirche realisieren konnten, oder wo Grussworte der Behörden am Bettag und anderen kirchlichen Anlässen institutionalisiert wurden, ist mir dies etwas besser gelungen als in Lostorf. Seit Thomas Müller Gemeindepräsident ist, hat sich dies aber spürbar verbessert und wir pflegen eine gute Zusammenarbeit, was mich sehr freut.
Was immer sehr gut funktionierte, ist die Zusammenarbeit an der Stubete, der Seniorenfahrt, oder auch am Muttertagskonzert der Musikgesellschaft.
Es macht auch absolut Sinn, Anlässe, welche alle am Sonntag um 10.00 Uhr stattfinden, zu koordinieren oder sogar zusammenzulegen. Aktuell stört es mich etwas, dass viele Anlässe auf Schloss Wartenfels um die Zeit der Gottesdienste im Dorf terminiert werden. Wobei wir mit dem ökumenischen Schlossgottesdienst ebenfalls einen gemeinsamen, und seit Jahren beliebten, Anlass im Jahresprogramm haben.
Du warst immer am Puls der Zeit, hast spannende Projekte realisiert, Kontakte hergestellt und auch den Dialog gesucht. Ist das alles «typisch Michael Schoger»?
Ich bin kein kirchlicher «Animator» oder ein «Event-Manager», wobei einige Leute dies irgendwie von mir erwarteten. Bei allen Aktionen und Projekten waren mir immer der Inhalt und die Botschaft wichtig. Das ist die allgemeingültige Grundlage. Die Inhalte sollten Bezug zur biblischen Botschaft haben, darin bin ich schlussendlich ausgebildet, die Bibel zu lesen und zu verstehen helfen. Das ist meine Berufung und dafür wurde ich ordiniert (bevollmächtigt) und installiert (ins Amt eingesetzt).
Nun wünsche ich dir für die kommende, zumindest teilweise, ruhigere Zeit alles Gute und
viel Freude an deinen weiteren Aktivitäten. Bestenfalls findest du
auch Zeit, mit deiner Frau das eine oder andere Konzert oder Theaterstück im Stadttheater Olten zu besuchen (dieses steht unter der Leitung seiner Tochter Edith, Anmerkung des Verfassers).